Description
Walter Hilton (ca. 1343-1395) ist in England seit Jahrhunderten ein vielgelesener geistlicher Autor. Mit der Studie liegt erstmals eine deutschsprachige Monographie vor, die die Lëcken der ëberwiegend aus der Anglistik des angelsächsischen Sprachraums stammenden Hilton-Forschung aus theologischer Perspektive fëllt. Dazu wird nach einem ausfëhrlichen Forschungsëberblick Hiltons Leben und Werk umfassend vorgestellt und in den historischen Kontext eingeordnet. Der Hauptteil der Arbeit bietet eine Untersuchung der Theologie Hiltons. Die Studie wählt einen primär traditionsgeschichtlichen Ansatz, der ergänzt wird um mentalitäts-, kultur- und sozialgeschichtliche Perspektiven. Anhand einer Untersuchung des fër Hilton zentralen Begriffs der "Liebe (Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe)" und der bei ihm damit eng verflochtenen Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit/-ähnlichkeit des Menschen wird gezeigt, dass Hilton in der augustinisch-zisterziensischen Traditionslinie (Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von St. Thierry, Richard von St. Viktor) steht. Hiltons Eigenart profiliert ein Vergleich mit den anderen Vertretern der mittelalterlichen Mystik in England (Richard Rolle, Verfasser der Wolke des Nichtwissens, Juliana von Norwich, Margery Kempe). Hilton ist bedeutend als Übersetzer und Vermittler. Er gibt komplexe theologische Gedankenfiguren in der Volkssprache an Laien weiter und propagiert die im Mittelalter Geistlichen mit weltlicher Verantwortung vorbehaltene vita mixta als Lebensform fër Nicht-Kleriker. Anders als seinem Zeitgenossen Wyclif geht es Hilton als Kritiker und Reformer weniger um kirchliche Strukturen, sein Augenmerk liegt auf dem einzelnen Gläubigen.